Rede von Eva Herzog zum “Millionen-Deal”

Am 11. November 2015 leitete SP-Finanzministerin Eva Herzog im Grossen Rat das grosse Traktandum zur Partnerschaft BS-BL ein.

 

Frau Präsidentin

Frau Statthalterin

Meine Damen und Herren

 

Mit dem Ratschlag zur Stärkung der Partnerschaft zwischen Basel-Stadt und Baselland unterbreiten wir Ihnen ein nicht ganz alltägliches Geschäft. Der Vorschlag ist unkonventionell – und vielleicht braucht es genau das, um aus einer scheinbar verfahrenen Diskussion auszubrechen.

Wie wir an der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Regierungen von Basel-Stadt und Baselland vom 23. Oktober im neuen Uni-Institut in Allschwil bekannt gemacht haben, schlagen wir vor, dass Basel-Stadt befristet auf vier Jahre, von 2016 bis 2019, jährlich 20 Millionen Franken an den Kanton Basel-Landschaft überweist. Im Gegenzug verpflichtet sich Baselland, den Universitätsvertrag, die zugehörige Immobilienvereinbarung und den Kulturvertrag bis Ende 2019 ungekündigt weiterzuführen; seinen Teil der PK-Ausfinanzierung der Universität zu tragen, in eine gemeinsame Trägerschaft für das Schweizerische Tropeninstitut einzusteigen, die Impulsinvestition für das ETH-Institut mitzutragen wie auch die Finanzierung für die schon beschlossenen Rauminvestitionen der Universität zu garantieren, konkret für das neue Biozentrum und die Biomedizin. Wird nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, fallen die Zahlungen von Basel-Stadt als Ganzes dahin, bis auf bereits ausbezahlte Jahrestranchen.

Das ist der „Deal“, nicht mehr und nicht weniger, an sich einfach zu erklären.

 

Damit Sie den hohen Betrag von jährlich 20 Millionen besser einbetten können, ein paar weitere Zahlen: Basel-Stadt und Baselland bezahlen die Nettovollkosten für ihre Studierenden an der Universität Basel. Baselland bezahlt hier 18 Millionen mehr, da sie mehr Studierende haben. Bevor das Restdefizit hälftig aufgeteilt wird, bezahlt Basel-Stadt einen Standortvorteil von 10%, ab 2017 von 5%. Der Finanzierungsschlüssel wird sich also automatisch zu unseren Gunsten verbessern, BL wird jährlich 5 Mio. Franken mehr bezahlen.

Insgesamt bezahlt Baselland im Jahr 2016 164 Millionen Franken an die Universität, Basel-Stadt 165 Millionen. Die Universität wird paritätisch finanziert und beide Kantone haben dieselben Mitbestimmungsrechte. Die zusätzlichen Voraussetzungen für den Deal, die ich genannt habe, PK-Sanierung etc., lösen für Baselland ab 2017/2018 einmalige Kosten von 20 Millionen aus und jährlich wiederkehrende Kosten von rund 15 Millionen; dasselbe auf städtischer Seite, abzüglich der 5 Millionen Franken, die BS durch die Reduktion des Standortvorteils entlastet wird.

Der Universitätsvertrag wurde in einer Zeit ausgehandelt, als die finanziellen Verhältnisse zwischen den Kantonen noch unter umgekehrten Vorzeichen standen. In den 90er Jahren schrieb Basel-Stadt Defizite in dreistelliger Millionenhöhe. Nach sechsjährigen Verhandlungen hat Baselland im Jahr 2007 Ja gesagt zu einer gemeinsamen Universität. Dies aus der Einsicht heraus, dass der Ausbau der Universität nur gemeinsam zu leisten ist, und dass diese Investition wichtig ist zugunsten der ganzen Region. Diese Investition hat sich ausbezahlt, die Universität Basel hat einen sehr guten Ruf und es ist ihr gelungen, in einzelnen Disziplinen bis zur Weltspitze vorzustossen, das hätte der Kanton Basel-Stadt alleine nicht finanzieren können. Den Kulturvertrag mit Baselland gibt es seit 1997, jährlich fliessen rund 10 Millionen Franken aus der Kulturpauschale an Institutionen in der Stadt.

Die Regierungen der beiden Kantone sind der Ansicht, dass gewichtige kantonale Aufgaben wie insbesondere die Hochschul- und Fachhochschulbildung, Gesundheit, Kultur oder Verkehr gesamthaft betrachtet werden müssen und nur gemeinsam erbracht werden können. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, wird alles nur teurer, das zeigt aktuell die Situation im Gesundheitswesen. Die Basler Regierung ist der Meinung, dass die aktuell finanziell schwierige Situation in Baselland nicht zu Entscheidungen führen darf, die langfristig Schaden anrichten für die ganze Region. Das hilft weder Stadt noch Land, schwächt die Region, es droht eine Abwärtsspirale. Da der Kanton Basel-Stadt im Moment in der Lage ist einzuspringen, soll er das tun. Es ist ein temporäres Engagement, das ist der Kern der Idee. Dieses temporäre Engagement ermöglicht es, langfristig tragfähige Lösungen zu finden.

Diese brauchen Zeit. Und diese Zeit gewinnen wir durch den Vorschlag der beiden Regierungen. Der Vorschlag ist auch eine Investition in die Zusammenarbeit. Basel-Stadt spricht einen ausserordentlichen Kredit – Baselland gibt ein klares Bekenntnis ab zu den abgeschlossenen Verträgen und zu weiteren Vorhaben, die bereits in die Wege geleitet worden sind.

Die beiden Kantone werden bis Mitte 2017 den neuen Globalbeitrag für die Universität aushandeln, von dem beide Kantone erwarten, dass er ihnen ab 2018 eine Entlastung bringt. Und auch im Bereich Kultur muss bis spätestens Ende 2017 klar sein, wie die gemeinsame Finanzierung künftig geregelt wird. Hier sind noch keine Entscheide gefallen, weshalb es auch völlig überflüssig ist, dass gewisse Zeitungen diese oder jene Lösung schon als Totgeburt bezeichnen. Das Bestechende an diesem Vorschlag ist, dass wir Zeit gewinnen für Verhandlungen. Die Regierungen werden also nicht einfach nichts tun – sodass wir in vier Jahren vor derselben Situation stehen könnten, wie einige befürchten.

Bisher sind es die Regierungen, die sich zu diesem „Deal“ verpflichtet haben, heute ist es an Ihnen zu entscheiden, ob sie Ihre Regierung dabei unterstützen. Am Landrat wird es sein, noch in diesem oder im nächsten Jahr über die weiteren Voraussetzungen wie PK-Sanierung, gemeinsame Trägerschaft Swiss TPH etc. zu befinden. Wenn Sie heute Ja sagen und wenn kein Referendum gegen den Grossratsbeschluss ergriffen wird, dann kommt dieser Deal zustande. Dann bin ich überzeugt, dass die Regierung von Baselland, in deren Kompetenz dies ist, keinen der genannten Verträge künden wird und der Landrat später auch die weiteren Voraussetzungen genehmigen wird. Dies könnte der Anfang sein einer neuen Zusammenarbeit zwischen den beiden Kantonen, die insbesondere atmosphärisch im Vorfeld der Fusionsabstimmung doch „etwas“ gelitten hat.

Und falls Sie heute zustimmen, gegen den Beschluss aber das Referendum zustande kommt? Dann besteht leider die grosse Gefahr, dass die Baselbieter Regierung die Verträge künden wird, da sie das Ergebnis der Volksabstimmung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist kennt. Wer das Referendum ergreift, lädt viel Verantwortung auf seine Schultern, man könnte sagen, er entscheidet über den Deal.

Das ist ja gut und recht, werden Sie möglicherweise einwenden, aber kann sich Basel-Stadt diesen Deal überhaupt leisten? Letztes Jahre warnte die Regierung vor Defiziten und schnürte ein Sparpaket, jetzt überweist sie Beiträge in zweistelliger Millionenhöhe an den Nachbarkanton?

Betrachten wir unseren aktualisierten Finanzplan bis 2019, den wir mit dem Budget 2016 präsentiert haben, können wir sagen: ja, wir können uns die befristetet Zahlung zugunsten der Partnerschaft mit Baselland von 20 Millionen Franken jährlich leisten. Nach aktuellen Informationen gehen wir davon aus, dass wir in den Jahren 2016 – 2019 jährlich Überschüsse in der Höhe von 80 bis 120 Millionen ausweisen werden. Die Erfolgsrechnung wird also deswegen keine Defizite ausweisen. Die Verschuldung wird allerdings um die 20 Millionen jährlich zunehmen, da wir uns für Investitionen verschulden, die Verschuldung also generell zunimmt – aber wir halten den Rahmen der Schuldenbremse ohne Mühe ein.

Und warum haben wir plötzlich keine Defizite mehr? Dies liegt vor allem an den  Steuerprognosen, die letztes Jahr zu pessimistisch waren. Dabei spielen auch Einmaleffekte, die guten Börsenjahre 2013 und 2014, nicht budgetierbare Erbschaftssteuereinnahmen eine Rolle – aber auch die generelle Basis der Einnahmen wurde für die Jahre 2015 – 2019 nachhaltig zu tief geschätzt. So früh ein Entlastungspaket zu schnüren, war vorbildlich – finden die einen – oder voreilig finden die anderen. Wir wollten nicht in strukturelle Defizite geraten, andere hätten vielleicht länger gewartet. Tatsache ist, dass uns dies weiteren Handlungsspielraum gibt für dringende und wichtige Ausgaben und Investitionen, ohne die nicht nur unser Kanton, sondern die ganze Region Schaden erleiden könnte.

Es gibt keine Sicherheit über die finanzielle Entwicklung der kommenden Jahre, das hat uns die Finanzkrise gezeigt. Der starke Franken bereitet unseren Unternehmen Mühe, politische Entscheide wie die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder der Unternehmenssteuerreform III verbreiten weiterhin Unsicherheit. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir diese Probleme lösen werden, und auch die Aussichten für unsere Leitbranche sind weiterhin vergleichsweise gut.

Die USRIII ist auf nationaler Ebene auf besseren Wegen als auch schon befürchtet werden musste. Die Vorlage des Bundesrates ist sehr gut. Falls die Kompensation durch den Bund erfolgt, der NFA wie vorgeschlagen angepasst wird, der Rabatt bei der Dividendenbesteuerung harmonisiert und verkleinert wird und natürlich die Patentbox eingeführt wird – dann wird die Reform für unseren Kanton verkraftbar sein.

Und ganz abgesehen davon: Eine Kündigung der Verträge wäre eine Kündigung der guten Zusammenarbeit mit Baselland, die uns ein Vielfaches kosten könnte, auch die gemeinsame Spitalplanung obsolet machen würde, uns um Jahrzehnte zurückwerfen würde.

Deshalb, sagen Sie beherzt oder zumindest mit Vernunft JA. Beide Regierungen dürfen für sich in Anspruch nehmen, gut verhandelt zu haben, je für ihren Kanton und für die ganze Region.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort.)

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